Morgen werde ich Meditieren, ja, morgen

Geschrieben am 27.01.2025
von SR


Du sitzt allein in einer dunklen Bar, das Glas Whisky in Deiner Hand funkelt im schummrigen Licht. Du bist Buddhist, erinnerst Dich daran, wie Dein Lehrer über die Werte gesprochen hat, die grundlegenden ethischen Prinzipien. Das fünfte Gebot lautet: „Ich gelobe, mich des Rausches durch Alkohol und Drogen zu enthalten.“ Es ist ein einfacher Satz, klar und eindeutig. Doch hier sitzt Du, und die Flüssigkeit in Deinem Glas scheint Dich zu verhöhnen.

Du hast immer an die Weisheit der Lehren geglaubt. Der Weg des Buddha ist der Weg der Achtsamkeit, der Klarheit, der Freiheit von Anhaftung. Alkohol, so wurde Dir beigebracht, verschleiert den Geist, trübt die Wahrnehmung, und führt weg von der achtsamen Präsenz. In der Theorie ist es so klar. Aber die Praxis des Lebens ist oft viel komplizierter.



Die moderne Welt ist voller Versuchungen. An jeder Ecke blinkende Reklamen, Sonderangebote, Partys, bei denen Alkohol nicht nur angeboten, sondern fast erwartet wird. „Ein Glas wird Dich nicht umbringen,“ sagen Freunde, Kollegen, Bekannte. Und in schwachen Momenten erscheint dieser Satz wie eine Erlaubnis.

Heute war so ein Tag. Der Stress auf der Arbeit hat Dich fast zerbrochen. Ein Streit mit einem Freund hat Dir die Energie geraubt. Die innere Leere hat Dich aufgesogen, bis Du schließlich hier gelandet bist, vor einem Glas, das Du eigentlich nicht trinken solltest.


Während Du einen Schluck nimmst, spürst Du, wie der Alkohol eine angenehme Wärme in Dir auslöst. Aber gleichzeitig fühlt es sich an wie Verrat. Du erinnerst Dich an die Lehre von Samsara, dem endlosen Kreislauf des Leidens. Der Rausch, diese kurzfristige Flucht, ist nichts anderes als eine weitere Falle. Du weißt, dass die Erleichterung, die Du jetzt spürst, nur vorübergehend ist. Morgen werden der Schmerz und die Selbstvorwürfe zurückkehren, vielleicht sogar stärker als zuvor.

Aber es ist nicht nur die Lehre, die Dich quält. Es ist auch die Scham. Wie kannst Du Achtsamkeit üben, wenn Dein Geist getrübt ist? Wie kannst Du Dich dem Weg zur Befreiung widmen, wenn Du nicht einmal der Verlockung eines Getränks widerstehen kannst?



Du schaust Dich in der Bar um. Die Menschen lachen, trinken, scheinen für einen Moment glücklich. Aber ist es echtes Glück? Buddha lehrte, dass wahres Glück von innen kommt, dass es durch Loslassen und nicht durch Anhaften erreicht wird. Und doch, in dieser modernen Welt, wo Alkohol an jeder Ecke zu finden ist, scheint das Loslassen schwerer denn je.

Du stellst das Glas ab. Es ist fast leer, aber nicht ganz. Ein kleiner Akt des Widerstands. Du atmest tief ein und schließt die Augen. Vielleicht ist der Weg zur Befreiung kein gerader, perfekter Pfad. Vielleicht sind es Momente wie diese – das Kämpfen, das Straucheln – die Dich wirklich lehren, was es bedeutet, achtsam zu sein.



Morgen wirst Du meditieren. Morgen wirst Du es besser machen. Aber heute bist Du einfach nur Mensch – und das ist okay.

Buddha wird folgender Satz zugeschrieben: „Wie ein Goldschmied das Gold prüft, so prüfe auch Du die Lehren mit Vernunft und eigener Erfahrung.“



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